Feurige Hochzeit

Eine Sinfonie in Stahl und Eisen (1951)

Mehr als eine gewöhnliche Filmpremiere erlebten die Zuschauer im Gloria-Filmtheater in Rheinhausen am 18. Oktober 1951. Sie sahen den ersten Farbfilm der deutschen Montanindustrie: „Feurige Hochzeit – Eine Sinfonie in Stahl und Eisen“. Auftraggeberin war die Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie, deren Hauptgeschäftsführer, Wilhelm Salewski, auch als Berater entscheidend am Zustandekommen des Films mitgewirkt hatte. Der erste Farbfilm – und das in einer Zeit, als die Trümmer des Zweiten Weltkriegs noch keineswegs beseitigt waren, als der „Wiederaufbau“ erst langsam an Fahrt gewann.

In diesen Jahren einen aufwändigen Farbfilm produzieren zu lassen, zeugt vom Ehrgeiz der Wirtschaftsvereinigung und verweist auf die großen Hoffnungen, die man in den Film setzte. Noch ein weiteres Indiz bestätigt dies: Man verpflichtete mit Dr. Ulrich Kayser für die Regie und Hugo O. Schulze für die Kamera zwei höchst renommierte Fachleute. Kayser hatte sich als Dramaturg und Regisseur in der Kultur- und Industriefilmabteilung der Universum Film AG (UFA) profiliert, und Schulze hatte für so spektakuläre Unterhaltungsproduktionen wie „Der Tiger von Eschnapur“ (1937) hinter der Kamera gestanden. Jetzt gelang es ihm, vielen technischen Widrigkeiten erfolgreich zu trotzen, beispielsweise den enormen Temperaturen am Hochofen oder dem Funkenregen im Stahlwerk. „Feurige Hochzeit“ zeigt Aufnahmen aus dem Hüttenwerk Rheinhausen, einem Teil des Krupp-Konzerns. Weniger Szenen sind wohl auch im Eisenwerk Gelsenkirchen (Schalker Verein) und beim Bochumer Verein gedreht worden.

Der Zuschauer erlebt, wie Eisenerz im Hafen ankommt, wie anschließend der Hochofen beschickt und dort Roheisen produziert wird. Die blasenden Konverter im Thomas-Stahlwerk, wo sich Roheisen in Stahl verwandelt, entfalten „in Farbe“ eine grandiose Wirkung. Der flüssige Stahl wird in Blöcke gegossen und im Walzwerk zu Schienen, Draht oder Blech weiterverarbeitet. Andere Szenen zeigen die Herstellung von Stahlrohren und das Erschmelzen von Edelstahl im Elektrostahlwerk. Am Ende sieht der Zuschauer eine Glocke mit der Inschrift „Verleih uns Frieden gnädiglich“.

Das Glockengeläut ist seit Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ (1935) oder Veit Harlans „Der große König“ (1942) ein vielfach bemühtes filmisches Stilmittel, genutzt insbesondere für eine Schlussapotheose. In der „Feurigen Hochzeit“ steht die Glocke mit ihrer Inschrift symbolisch für eine Zukunft der Stahlindustrie, die sich an ideellen Werten orientiert. Industrielle Arbeit soll im Dienst des Friedens stehen. Darin liegt die eigentliche Intention des Films: Die westdeutsche Eisen- und Stahlindustrie wollte einem negativ aufgeladenen Image entgegenwirken. Manche machten sie nach wie vor mitverantwortlich für die NS-Herrschaft, Krieg und Gewalt, manche assoziierten mit den Arbeitsplätzen im Hüttenwerk lediglich Schmutz und Gefahr. Die „Feurige Hochzeit“ jedoch überhöht die Herstellung von Stahl mythisch und ästhetisiert die Arbeitsprozesse.

Welcher Zuschauer kann sich der Faszination eines Hochofenabstichs oder eines blasenden Konverters entziehen? Die Presse jedenfalls zeigte sich von der „ungeheuren Wucht“ der Bilder und der „starken Wirkung“ des Streifens begeistert (Neue Ruhr-Zeitung). Auch beim Fachpublikum fand der Film große Beachtung. Er lief 1952 bei dem Internationalen Kultur- und Dokumentarfilm-Kongress in Salzburg und sogar bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes. Die Filmbewertungsstelle der Länder der Bundesrepublik Deutschland verlieh ihm das Prädikat „wertvoll“, und am 23. April 1952 erhielt er einen Bundesfilmpreis. Im betrieblichen Alltag sollte er bei festlichen Anlässen, Vortragsveranstaltungen oder Freisprechungsfeiern für Lehrlinge gezeigt werden.
Felix Hartelt, Historisches Archiv Krupp, Essen

Luftbild der Krupp'schen Friedrich-Alfred-Hütte in [Duisburg-] Rheinhausen, um 1950
Foto: Historisches Archiv Krupp
Filmografische Angaben:

Auftraggeber: Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie, Düsseldorf
Produktionsjahr: 1951
Format: 35-mm-Lichtton
Farbe: Farbe
Sprache: Deutsch
Laufzeit: 11’10“
Buch und Regie: Dr. Ulrich Kayser
Kamera: Hugo O. Schulze
Mitarbeit: Wilhelm Salewski
Musik: Erich Kuntzen
Produzent: Epoche Color-Film AG, Wiesbaden/Düsseldorf/Berlin/Frankfurt a. M.
Verleih: Constantin-Filmverleih GmbH, Frankfurt a. Main (1952)
Uraufführung: 18. Oktober 1951, Gloria-Filmtheater, Rheinhausen
Auszeichnungen: Prädikat „Wertvoll“ der Filmbewertungsstelle der Länder der Bundesrepublik Deutschland, FBL-Prüfung Nr. 396 vom 2. April 1952 Deutscher Filmpreis 1952: “Goldene Kassette” in der Kategorie “besonders wertvoller Kulturfilm”
Archiv: Historisches Archiv Krupp, Essen / thyssenkrupp Corporate Archives, Duisburg

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Prof. Dr. Ralf Stremmel / Felix Hartelt, M.Sc.

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