Unsere Hütte (1951)

„Unsere Hütte“ ist in mehrfacher Hinsicht eine ungewöhnliche Produktion: Der Industriefilm präsentiert ein typisches westdeutsches Hüttenwerk zu Beginn der 1950er-Jahre und stellt dabei einen Mitarbeiter in den Mittelpunkt. Die Kamera begleitet den Arbeiter Willi auf seiner letzten Schicht. Dabei setzt der Film ganz auf seine symphonische Musik und kommt fast gänzlich ohne Sprache aus.

1951 entstand der Film „Unsere Hütte“ mit einer Spielfilmhandlung unter der Regie von Gunther Hundertmark für die Hüttenwerke Ruhrort-Meiderich AG. Produzent war die Insel-Film GmbH, die auf der Insel Reichenau (Bodensee) ansässig war und in den 1950- und 1960er-Jahren zahlreiche Industriefilme für die deutsche Wirtschaft produzierte.

Zum Film: Die einzelnen Produktionsschritte bei der Roheisen- und Stahlherstellung vom Hochofen zu den verschiedenen Stahlwerken werden in eine Rahmenhandlung eingebettet: Der Arbeiter Willi macht einen Rundgang durch das Werk, um sich von seinen Kollegen zu verabschieden: Es ist seine letzte Schicht. Und die Zuschauer erhalten einen Einblick in seine Arbeitswelt, bekommen eine Ahnung von dem Zusammenhalt und der Wertschätzung zwischen Jung und Alt. Aber auch die unternehmerische Fürsorge wird deutlich, wenn es heißt: „Unsere Hütte sorgt weiter für Dich“. Bemerkenswert sind zwei Aspekte: Zum einen war die Rolle des Arbeiters nicht mit einem Schauspieler besetzt, sondern mit einem Betriebsangehörigen. Wilhelm Bonow (geb. 1892, bei seinem Ausscheiden 1959 Betriebsführer im Thomas-Stahlwerk Meiderich) spielte glaubhaft die Hauptrolle. Zum anderen wurden die Abläufe im Werk entgegengesetzt zur Produktionsabfolge vorgestellt, ausgehend vom Blocklager sowie von der Block- und Knüppelstraße über die Siemens-Martin- und Thomas-Stahlwerke zur Beschickung und zum Abstich des Hochofens mit Masselgießanlage und der Erzanlieferung. Der Regisseur setzt die umgekehrte Reihenfolge bewusst als Parallele zu Willis Rückblick auf sein gesamtes Arbeitsleben ein.

Kein Sprecher erläutert die Produktionsanlagen, einzig Schilder verweisen auf den Ort, an dem wir uns gerade befinden. Der Film kommt weitgehend ohne Sprache aus. Zu den Schwarz-Weiß-Bildern hören wir opulente, symphonische Musik des österreichischen Komponisten Rudolf Perak (1891–1972) eingespielt von dem Bavaria Symphonie Orchester. Nach seiner Ausbildung am Mozartheum in Salzburg arbeitete Perak in Meran, am Hamburger Operettenhaus und am Berliner Metropol-Theater. Der freischaffende Komponist schrieb Operetten wie „Frau im Frack“ oder „Ein Mädel wie Du“ und widmete sich mit Beginn des Tonfilms 1927 auch der Filmmusik. Er schrieb über 300 Kompositionen für Dokumentar- und Kulturfilme.

Seine Premiere hatte „Unsere Hütte“ auf der Jubilarfeier des Unternehmens im Jahr 1951. Im Anschluss präsentierte die Hüttenwerke Ruhrort-Meiderich AG den Film auf Betriebsversammlungen und auch im Kino. Denn der Streifen erhielt das Prädikat „Wertvoll“ der Filmbewertungsstelle der Länder. Mit dieser Auszeichnung konnte der 15-minütige Beitrag auch im Vorprogramm der Kinos gezeigt werden. Den Lichtspielhäusern brachte die Vorführung solcher Kulturfilme finanzielle Vorteile: Durch die Koppelung eines prädikatisierten Films mit einem Spielfilm erhielt der Kinobetreiber eine Ermäßigung der Vergnügungssteuer. Dabei durfte der Film weder werbende Effekte enthalten noch eine vorgeschriebene Filmlänge überschreiten.

Astrid Dörnemann, thyssenkrupp Corporate Archives, Duisburg

 

Standbild des Hauptdarstellers im Film, Willi Bonow.
Quelle: thyssenkrupp Corporate Archives, Duisburg

 

Filmografische Angaben:

Auftraggeber: Hüttenwerke Ruhrort-Meiderich AG, Duisburg
Produktionsjahr: 1951
Format: 16-mm-Magnetton
Farbe: Schwarz-Weiß
Sprache: Deutsch
Laufzeit: 15’01“
Buch und Regie: Gunther Hundertmark
Kamera: Willi Schmid
Schnitt: Hell Renard
Musik: Rudolf Perak; Bavaria Symphonie Orchester
Produzent: Insel-Film GmbH
Auszeichnungen: Prädikat „Wertvoll“ der Filmbewertungsstelle der Länder der Bundesrepublik Deutschland
Archiv: thyssenkrupp Corporate Archives, Duisburg

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